Donnerstag, 6. Januar 2011

Nietzsches Schreibmaschine


Ein Phänomen mit Ecken und Kanten. So oder so ähnlich wird heute die technologische Entwicklung des Internets hin zum Web 2.0 nahezu einhellig gesehen. Im Laufe der Zeit kristallisierten sich Chancen, aber auch Risiken, des Mitmach-Webs heraus und warfen damit forschungstheoretische Fragen auf: Wie verändert das Web 2.0 die Berufswelt? Wie wird der Alltag der Menschen beeinflusst? Und nicht zuletzt: was geschieht mit den Internetnutzern selbst?
Beschäftigt man sich mit letzteren genauer, fällt auf, dass anscheinend das Alter an die tatsächliche Art der Nutzung gekoppelt zu sein scheint. Während Erwachsene das Internet vor allem für die Informationsrecherche heranziehen, steht für Jugendliche die Unterhaltungsfunktion eindeutig im Vordergrund. Selbstdarstellung, Freunde online in Chatrooms treffen, in Kontakt bleiben, das sind in diesem Zusammenhang nur einige Schlagworte. Verbunden mit der allgemeinen Beschleunigung des Lebens und des Umgangs mit Wissen sprechen Experten von einer veränderten Kommunikationskultur, die von Pädagogen im Speziellen wachsamen Auges beobachtet wird. Denn hauptsächlich Kinder und Jugendliche entwerfen neue Formen der Kommunikation, die nicht nur auf deren Alltag einwirken, sondern auch das Lernverhalten selbst maßgeblich beeinflussen. Das genutzte Medium hat Auswirkungen auf die kognitiven Strukturen seines Nutzers.
Diese Erfahrung, die schon Nietzsche bei sich feststellte, machen auch Jugendliche im Jahr 2011. Allerdings nicht wie Nietzsche mit einer Schreibmaschine, sondern unbewusst mit dem Web 2.0. Was das im Einzelnen bedeutet, zeigt sich im Lernen. War zu Vor-Internet-Zeiten noch derjenige klar im Vorteil, der strukturell denken und sich Vieles merken konnte, zählen heute andere Qualitäten, wie z.B. die Fähigkeit, nützliches Wissen zu finden und diese Quellen nach ihrer Glaubwürdigkeit einzuschätzen. Dauerhafter Zugang zur Web 2.0-Technologie und deren gesellschaftlicher Stellenwert sorgen allerdings gleichzeitig dafür, dass es sich für den einzelnen Nutzer immer schwieriger gestaltet, sich dem zu entziehen. Totale Exklusion oder Mitschwimmen im Strom der Zeit? Ob diese beiden Extrempole Bestand haben oder alternative Nutzungsmodelle entstehen, wird die Zukunft zeigen.

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